Fazit.
„Komm doch mal mit“ … Danke, Olaf. Für alles.
Zum Sarek sei gesagt: ich liebe es. Man kann hier als Anfänger wandern, wenn man fit ist und einen erfahrenen Wanderer dabei hat. Und man muss auch im Sommer mit Minusgraden und viel Regen rechnen. Das muss aber nicht sein. Auf meiner ersten Tour war ich viele Tage in kurzer Hose unterwegs, auf meiner zweiten fast nie ohne Mütze.
Es war einmal ein unbedarfter Musikstudent im Jahre 2004 als ein befreundeter Schlagzeuger ihn frug, ob er nicht auf eine Wandertour in den schönen Norden Schwedens mitkommen möchte… Ich habe damals mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass dieser Moment mein Leben und die Sicht auf grundlegende Dinge essenziell verändern würde. Klingt kitschig, ist es auch.
Wie in den ersten Jahren immer, sind wir den gesamten Weg von Lübeck mit dem Zug angereist. Weit über 30 Stunden dauert der Tripp über Kopenhagen (damals fuhr der Zug noch auf die Fähre ab Puttgarden), Stockholm, mit dem Nachtzug bis nach Gällivare, dann nochmal über drei Stunden mit dem Bus bis nach Ritsem und zu guter Letzt mit dem Boot rüber Richtung Akka. Eine Wahnsinnsanreise.
Ich weiß noch ganz genau, wie ich ein wenig Angst bekam, als der Bus dann an der Nordseite des Sarek entlang fuhr und sich die Blicke auf das Sarekmassiv und Akka öffneten. Ich dachte: „Das kann nicht Olafs Ernst sein. Ich kann doch jetzt nicht einfach über solche Berge marschieren.“ Ich hatte so etwas ja noch nicht einmal in Ansätzen gemacht, geliehenes Equipment dabei, definitiv nur knapp ausreichend Essen, … blutiger Amateur halt und als wir dann am Ende der Tour in Saltoluokta saßen – bis heute meine absolute Lieblings-Fjällstation – hatten auch erfahrerene Wanderer Respekt vor der Tour, die wir hinter uns hatten. Es hieß immer „Der Sarek – die letzte Wildnis Europas“ …
Aber der Reihe nach.
Die Bilder sind original noch analog geschossen, teilweise als Cross-Entwicklung eines Diafilms.
Tag 1
Da stand ich nun: Änonjálme. Angelegt nach der kleinen Bootstour von Ritsem aus. Es gab schon fertig geschnitzte Wanderstöcke, aber wir hatten alles dabei und machten uns gleich Richtung Akkastugorna auf, es war ja schon später am Tag und Olaf wollte natürlich noch in die „Wildnis“. Es gab die Idee, nördlich von Akka zu laufen, aber die Hüttenwärtin riet uns davon ab. Also spazierten wir noch über die Brücke und schlugen an der Nordwestseite Akkas mein allererstes Wandernachtlager auf. Ein wenig abseits des Wegs Richtung Berg, ein wenig nach der Brücke kreuzen dann kleine Flüsschen den Weg, ein absolut empfehlenswerter Zeltplatz, den ich Jahre später noch ein weiteres Mal besuchen sollte.
Tag 2
Olaf war ja schon ein erfahrender Wanderer und wusste auch, dass es im Sarek sowieso ca. keine Wege gibt, also visierten wir gleich am zweiten Tag Gisuris Ostflanke an, wateten durch erste Flüsse, kämpften uns durch Weiden, hatten Spaß an Mücken, … Ich erinnere es tatsächlich als eher mühsam, aber ich hatte auch noch die Vision, immer ein Ziel zu erreichen, etwas „schaffen“ zu müssen am Tag. Erst zwei bis drei Jahre später habe ich dann verstanden, dass es darum beim Wandern nicht gehen sollte.
Am Fuße des Gisuris haben wir das Zelt errichtet und sind noch ein wenig den Berg hochgestiegen, allein schon, um die Mücken, die wir vom Flußbett mit hoch geschleppt hatten, loszuwerden. Leider näherte sich eine Regenfront, so dass wir absteigen mussten, bevor wir einen Blick auf den Gletscher werfen konnten.
Tag 3
Der Sarek wird ja auch als „Waschküche“ bezeichnet, umso erstaunlicher war es, dass dieser Tag tatsächlich der einzige regnerische auf der gesamten Tour war. Und eigentlich auch nur, weil wir, nachdem wir der Ruohtesvágge Richtung Südost gefolgt sind, über eine Gletscherzunge zum Boajsájávrásj (Olaf so: „Lass doch mal da rum!“) aufgestiegen sind und dort bei Sturm gezeltet haben. Im Tal sah man die Sonne, uns kam in wärend des Sturms in der Nacht das Zeltdach fast bis an die Nasenspitze entgegen – aber das Hilleberg hielt, was der Preis versprach.
Tag 4
Der nächste morgen und der Abstieg mit Blick auf Sarektjåhkkå waren absolut herrlich. Da der vorangegangene Tag sehr lang und zäh war, ließen wir uns Zeit, machten viele Pausen, das ein oder andere Quatschfoto. Wir bauten unser Zelt unfern eines Wasserfalls südwestlich der Mikkastugan auf und verbrachten einen schönen Nachmittag und Abend.
Tag 5
Ich bin an diesem Morgen das erste Mal – viele weitere Male auf anderen Touren sollten folgen – von einem komischen „Knacken“ direkt neben dem Zelt aufgewacht. Es stellte sich heraus, dass unser Zelt von einer Herde Rentiere umringt war. Herrlich.
Es folgte ein etwas verhangener Tag in der Álggavágge, stets begleitet von einer großen Herde Rentiere, in welcher sich auch einige weiße Tiere befanden.
Erst nach der Tour, als ich das Bild sah, wurde mir klar, dass Olaf tatsächlich seine Socken in unserem Kochtopf gewaschen hatte… seine dicken, stinkenden Wollsocken. Davon einmal abgesehen, war es ein schöner Abend 😉
Tag 6
Ab jetzt begann die absolute Gut-Wetter-Phase. Im Nachhinein kann ich es immer noch nicht glauben, dass wir so viel Glück hatten…
Ein wenig oberhalb des Álggajávrre liegt eine kleine Kapelle, in einem alten Silberschürfgebiet, in der noch Gesangsbücher liegen und die manchmal noch für Hochzeiten benutzt wird (zumindest damals). Von hier aus ging es unter ständiger Beobachtung zweier Adler Richtung Norden dem Fluß folgend den Berg hinauf. Wieder ein von Olafs berühmten „Abkürzungen“. Große Felsblöcke beim Aufstieg und steile Schneefelder beim Abstieg ließen diesen Tag zu einem Abenteuer werden, aber der Zeltplatz am kristallklaren Násasjávrre, in dem das Baden nur sekundenweise möglich war, war wunderbar.
Hier interagierte Olaf professionell mit den „Öhrks“, wie die Rentiere von nun an hießen. Sagt man „Öhrk“ während man einatmet, klingt es ziemlich nach dem Laut, den die Rentiere von sich geben…
Tag 7
Bei bestem Wetter ging es die Guhpervágge Richtung Osten zurück zur Mikkastugan, an welcher wir die Sommerbrücke nutzen, um dann abends an einem schönen Gletscherabluss zu nächtigen.
Es war den gesamten Tag bestes Sommerwetter, so dass Olaf sich sogar dazu hinreißen ließ, mittags ein Indinaerbrot zu backen. In der Nähe unseres Zeltplatzes trafen wir noch einen alten, weißhaarigen Wanderer, der schon viele Male im Sarek war und diesen liebgewonnen hatte…
Tag 8
An diesem Tag stand der Aufstieg zu einem der legendären Zeltplätze des Sareks an, in der Nähe des „Spökstenen“. Bei einer späteren Tour habe ich hier mit meiner Frau auch genächtigt: man hat einen unfassbaren Blick Richtung Nordwesten über den Sarek, ebene Grünflächen und fließendes Wasser. Bei gutem Wetter ist das einer DER Spots im Sarek, ohne Zweifel. Auf dieser Tour gingen wir aber noch weiter, da es erst Mittag war und wir nach einer ausgedehnten Pause noch ein paar Meter machen wollten.
Verrückterweise trafen wir mitten in dieser Einöde auf einen alten Freund von Olaf, der mit einer kleinen Gruppe nebst Vater auch zufällig im Sarek unterwegs war. Wie wahrscheinlich ist das denn???
Nach einer kurzen Hochebene steigt man ins Rapadalen ab. Hier gibt es einen „vorgefertigten“ Zeltplatz, der sogar eine kleine Feuerstelle und eine atemberaubende Aussicht hat. Dankend nahmen wir dieses Geschenk an und verbrachten eine wunderbare Nacht.
Tag 9
Das Wandern durchs Rapadalen ist schön, aber anstregend. Manchmal verliert man den Weg, manchmal ist es sehr matschig, aber vor allem gibt es viele Mücken.
Entschädigt wurden wir durch eine überraschende „Hinter-einer-Kurve“-Begegnung mit einem Storälg (hier leben die größten Elche Schwedens) und vielen schönen Ausbklicken über Fluß und Landschaft.
Tag 10
Nach 10 Tagen war es also soweit… es sollte zurück in die „Zivilisation“ gehen: wenn man das Rapadalen unten durchwandert, gibt es eigentlich nur die Möglichkeit, am dafür vorgesehenen Punkt zum Funkgerät zu greifen und einem Samen Bescheid zu geben, dass man am Abholpunkt im Sarek steht. Es gibt „feste“ Abholzeiten, aber generell kann Vieles über Funk abgemacht werden. Die Fahrt lässt sich der Bootsmann fürstlich entlohnen, dafür hat man aber wirklich schöne Aussichten und die im Rapadalen strapazierten Füße danken es einem.
Wir haben uns damals für den Ausstieg über den Kungsleden Richtung Norden entschieden, so dass unser Halt an diesem Tag Aktse hieß. Eine wunderbare kleine Hütte mit einem Shop und einer eiskalten Dusche. Und jeder, der im Sommer schon einmal dort war, weiß, warum diese Hütte auch die „Mückenhütte“ heißt…
Tag 11
Frisch geduscht, frisch durchstochen und weiterhin bei bestem Wetter ging es morgens steil bergan Richtung Norden, um dann auf knapp 800m Höhe Richtung Skierffe abzubiegen. Dieser Schlenker ist bei gutem Wetter ein absolutes Muss, da darf es nie eine Ausrede geben. Auch morgens bzw. abends muss es toll sein, ich hoffe, ich darf es später einmal erleben…
Der Blick vom Skierffe über das Delta des Rapadalen ist nicht in Worte zu fassen: deshalb lasse ich es.
Anstatt auf den Kungsleden zurückzukehren, querten wir die Hochebene an einem alten Opferplatz vorbei, um dann kurz vor dem Abstieg runter Richtung Njunjes wieder auf den Leden zu treffen. Leider habe ich mir dabei einen Knöchel verstaucht, aber das Gelände war zu meistern.
Die Nacht verbrachten wir in Svine, wo es Zeltplätze und eine Kote gibt.
Tag 12
Morgens hissten wir die „Abholfahne“ in Svine und ein wenig später hörten wir schon den Motor des Bootes, welches uns kurz darauf zur Sitojaurestugorna brachte. Man kann hier auch selbst rudern, allerdings ist der Weg viel weiter als man denkt und es ist oft windig, da der See in einem sehr langgestreckten Tal liegt. Und falls man das letzte Boot auf der Abfahrtseite genommen hat, muss man nochmal mit einem zweiten Boot zurück, damit an jeder Seite mindestens eines liegt… kurz: sich rüberfahren lassen ist besser 😉
Der Abschnitt Richtung Norden bis nach Saltuluokta ist schön, aber nicht spektakulär, so dass wir bis zu dieser fantastischen Fjällstation liefen und dort unser Zelt errichteten.
Saltoluokta ist bekannt für seine sehr gute Küche, sein wundervoll altes Haupthaus, die Lage und den legendären Blick aus der Sauna hinaus.
Wir wurden die zwei Abende hier fürstlich bewirtet, der Nachtisch des ersten Abends war so lecker, dass Olaf sich das Rezept geben ließ. Seitdem gibt es ihn regelmäßig zu besonderen Gelegenheiten bei uns Zuhause.
Tag 13
Diesen Tag bestiegen wir den Hausberg Saltoluoktas, den Lulep Gierkav, und genossen das damals noch jährlich stattfinde kleine Musikfestival. Und saunierten. Natürlich. Seele baumeln lassen nach allen Regeln der alten Schule und modernen Kunst.
Tag 14 und Rest
Schweren Herzens nahmen wir das Boot nach Kebnats, blickten uns noch einmal um und traten die Heimreise mit unseren Interrailtickets an. Wir stoppten noch für zwei Nächte in der Nähe von Stockholm, wo wir eine Wanderbekanntschaft Olafs nebst ihrer Zwillingstöchter besuchen. In bleibender Erinnerung sind die Suche nach Pfifferlingen nebst Zubereitung und Verspeisen dieser geblieben.
Es hat dann noch einige Touren gedauert, bis ich Wandern „richtig“ verstanden habe. Jetzt weiß ich, dass „der Weg ist das Ziel“ keine hohle Phrase ist. Nochmal: Danke, Olaf.