Fazit.
Ein lang gehegter Wunsch ist verwirklicht worden. Und es war besser als ich dachte: die „grünen“ Gipfel sind doch monumentaler und eindrucksvoller als befürchtet. Auf Videos sieht es manchmal gar nicht so spektakulär aus wie es dann in Wirklichkeit war. Das ist natürlich ein bekanntes Phänomen, aber hier habe ich es so deutlich gespürt wie lange nicht. Ich bin auf jeden Fall froh, Abwege beschritten zu haben, ich denke, der West Highland Way an sich wäre mir auf Dauer zu voll und zu „einfach“ geworden. Die Abstecher haben es erst zu einer großartigen Tour werden lassen.
Empfehlenswert ist es durchaus, wenn man mit dem Zelt unterwegs ist, sich alle 3 Tage ein Hotel im Voraus zu buchen. Falls das schottische Wetter es „gut“ mit einem meint 😉
Anreise
Wir haben uns bewusst für die Anreise mit der Bahn entscheiden. Es war früh klar, dass wir nicht in Glasgow starten wollen, sondern schon ein wenig nördlicher. Der Caledonian Sleeper bietet perfekt die Möglichkeit, direkt in den Highlands auszusteigen und die Anbindung mit der Bahn – selbst aus Norddeutschland – war im Endeffekt genauso teuer und schnell wie eine kombinierte Bus-Flug-Bahn-Reise. Von dem ökologischen Aspekt ganz abgesehen.
Nachdem ich auf komoot ein wenig die Strecken hin- und hergeschoben hatte und die verfügbaren Tage durchgegangen war, entschied ich, dass wir in Ardlui aussteigen, am Nordende des Loch Lomond.
Tag 1
Wir waren die einzigen, die in Ardlui pünktlich um kurz vor Acht Uhr morgens ausstiegen. Mehr als ein Bahnsteig mit einer kleinen Regenhütte – die wir sogleich zum frühstücken benutzen – und einige Häuser sind dort auch nicht zu finden.
Es ging ein wenig an der Landstraße entlang und dann zu einer ersten Flussquerung, die sich in der Realität ein wenig komplizierter darstellte als auf dem Kartenmaterial angenommen. Da Schottland sich auch von seiner regnerischen Seite zeigte, waren wir nach 2 Stunden alle solide nass, aber bester Stimmung als sich das erste Tal und die ersten Bens erhoben. Wir folgten mutterseelenallein einem kleinen Landweg, alte und neue Aquädukte ließen erahnen, wie wichtig die Highlands für die Wasserversorgung der Region sind.
Der Plan war, unterhalb des Ben Oss zu zelten und es fand sich auch ein guter Platz am Nachmittag – die Sonne kam allmählich heraus -, so dass wir ausgiebig rasten, essen und und uns säubern konnten.
Tag 2
Von jetzt an sollte uns – bis auf ganz kurze Momente – die Sonne durch die gesamte Tour begleiten, ein absoluter Glücksfall. Von den berüchtigten Mitches haben wir auch nur ganz kurz etwas mitbekommen.
Heute sollte es querfeldein gehen, mittig durch die beiden Bens hindurch. Das Wetter und die Stimmung waren aber so hervorragend, dass wir kurzerhand beschlossen, die optionale Besteigung des Ben Lui anzugehen. Also haben wir das Gepäck genau am Scheitelpunkt des Passes zurückgelassen und sind den Berg hinaufgewandert. Die Blicke waren die sehr erträgliche Mühe auf alle Fälle wert. Der erste Ben meines Lebens war bewältigt.
Wir sammelten das Gepäck wieder ein und stiegen in Ruhe in das unfassbar grüne Tal des River Cononish ab. Umringt von dem Fluß schlugen wir unterhalb des Ben Lui unser zweites Zeltlager auf und genossen den Sonnenuntergang in vollen Zügen. Wahrscheinlich war dies der schönste Platz auf der gesamten Tour.
Tag 3
Da wir die ersten zwei Tage – gewollt und bewusst – etwas trödelig waren, mussten wir uns nun sputen: erstens war unser Whiskyvorrat zuneige gegangen – in Tyndrum konnte Nachschub besorgt werden – und zweitens hatten wir uns zwei Zimmer im Bridge of Orchy Hotel gebucht, welches ein ganz klassisches West Highland Way-Hotel ist.
Trotzdem war es ein absoluter Genusstag: das Tal, welches wir nun auf einer kleinen Strasse verließen, zeigte sich mit weidenden Rindern und dem sich windenden Fluss von seiner besten Seite und auch die Abschnitte auf dem West Highland Way, den wir in Tyndrum nun zum ersten Mal betraten, boten durchaus schöne Momente.
Bei Tyndrum Whisky wurden wir bestens beraten und Christoph scheute sich nicht, uns eine Buddel teuersten Whiskys zu erstehen. Der Dank war ihm sicher!
Nach den ersten zwei Tagen in absoluter Ruhe, empfand ich die Landstraße, die hier neben dem WHW verläuft aber als sehr störend und am Ende waren wir dann alle froh, im Hotel angekommen zu sein.
Abendessen, Ale, Ausruhen… ein wunderbarer Abend!
Tag 4
Nach einigen Blicken auf die Karten entschieden wir uns, den etwas „wüst“ anmutenden Schlenker durch das westlich vom WHW liegende Berggebiet nicht zu beschreiten, sondern auf dem WHW zu bleiben. Nach einigen Tropfen zu Tagesbeginn, klarte es auf und wurde ein weiterer schöner Tag.
Es gab schöne, weite Blicke Richtung Norden und Osten, leicht wehmütige Blicke Richtung Westen – die Berge sahen schon verlockend aus – und tolle Pausenorte. Mittags wollte ein Falter so gar nicht mehr von Olli lassen und begab sich auf Tuchfühlung. Ich verweise hier auf das Bild.
Auf der Karte sah es so aus, als könnte man noch den einen oder anderen Zeltplatz finden, das stellte sich jedoch als Irrtum heraus. Im Endeffekt mussten wir die gesamte Etappe bis zum Kingshouse laufen, an welchem man aber auch kostenfrei sehr gut zelten kann. Und ein Ale am Abend ist auch immer ein Lächeln wert. Bevor dann noch ein kleines Schlechtwettergebiet durchzog, welches aber morgens schon wieder verschwunden war, konnten wir frische, von Christoph gesammelte Pilze in unser Abendbrot schneiden. Ein wahrer Gaumenschmaus!
Tag 5
Wenn man bei strahlendem Sonnenschein mit dem klassischen Blick auf das umwerfende Glencoe aufwacht … dann fehlen einem die Worte.
Wir versuchten die ersten Meter an der Straße schnell hinter uns zu bringen, um dann beim Glencoe-Insta-Spot (sogar mit Hinweisschild am Straßenrand) auf eine solide Menschenmenge zu treffen. Zwei Personen ostasiatischer Herkunft wollten sich dann unbedingt mit uns „echten“ Wanderern fotografieren, was ich für meinen Teil aber ablehnte.
Der Weg nach Glencoe rein war gut zu gehen und unvergleichlich schön. Der Autolärm wich langsam dem Windgeräusch und die mutigen Fototouristen, die sich ein wenig ins Tal gewagt hatten, blieben auch hinter uns zurück. Wir umkurvten am Talende, von wo sich tolle Fernblicke ergaben, den Stob Dubh Richtung Norden und bauten unsere Zelte auf einem kleinen Plateau auf, unterhalb des Anstiegs, den wir am morgigen Tag bei gutem Wetter wagen wollten. Lustigerweise trafen wir auf ein junges deutsches Pärchen, die ein wenig abseits von uns ebenfalls ihr Zelt errichteten.
Tag 6
Ohne Zweifel die Königsetappe der Tour. Wir gingen die legendären „Three Sisters“ mit vollem Gepäck an, da unser Tagesziel in North Ballachulish lag: das Loch Leven Hotel. Wir hatten uns dafür entschieden, weil Christoph am nächsten Tag schon abreisen musste und man von dort mit Bussen gut nach Fort William kommt.
Der Anstieg war wirklich steil und anstrengend (siehe Höhenprofil Part 1 am Ende), aber erstmal oben angekommen war es dann technisch nicht anspruchsvoll.
Der erste Gipfel lag leider in den tiefhängenden Wolken, die sich aber nach und nach ein wenig nach oben verzogen und so zumindest unsere Gipfel und einen Großteil der Sicht freigaben: ferne Gipfel, dramatische Steilhänge, … Glencoe von oben ist die Mühen wert.
Den höchsten der drei Gipfel konnten wir mit Rumdumblick genießen. Da Olli nicht ganz höhensicher ist, entschied ich, dass wir vor dem dritten Gipfel absteigen. Im Endeffekt eine Fehlentscheidung, da der Abstieg nicht ganz ungefährlich war und der Weg über den Gipfel mit dem Abstieg danach wahrscheinlich leichter gewesen wäre. Sei es drum, wir kamen nach einem sehr langen und sehr steilen Abstieg unten an und es war klar, dass wir irgendwie noch einen Bus erreichen mussten, wenn wir nicht völlig kaputt und sehr spät im Hotel ankommen wollten. Einige von uns waren tatsächlich schon sehr kaputt und so sprach ich einfach zwei freundlich Menschen – in der Nähe war ein größerer Parkplatz – an, ob sie die Rucksäcke nebst zwei von uns zur nächsten Bushaltestelle fahren könnten. Überraschenderweise durften wir uns dann zu viert hinten in einen Luxus-BMW quetschen – stinkend und dreckig – und wurden bis zu unserem Hotel gefahren! Ein Erlebnis so herzerwärmend, dass ich immer noch dankbar für diesen Moment bin.
Das Loch Leven Hotel ist schon ein wenig in die Jahre gekommen, aber der selbstgemachte Gin und das Essen waren absolut hervorragend. Die Nacht konnte kommen.
Tag 7
Ausgeruht und mit frischen Beinen entschieden wir, zusammen mit Christoph morgens nach Kinlochleven zu fahren. Er wollte so lange wie möglich mit uns laufen und wir taten ihm sehr gern den Gefallen, auch wenn wir dadurch eine bestimmt schöne Etappe querfeldein Richtung Nordosten zum Lochan Lunn Da-Bhra verpassten.
Also ging es zurück auf den WHW, wo wir dann mit einigen anderen die letzte Etappe laufen konnten. Eigentlich ist diese Etappe schön, aber Dinge wie Strommasten und eine wirklich breite Straße störten mein Wanderempfinden wieder etwas.
Man kommt dann an eine Kreuzung, an welcher man auf geteerten Straßen relativ schnell nach Fort William kommt oder Richtung Osten abbiegt, um am Ben Nevis – Schottlands höchstem Berg – entlangzuwandern. Da wir es nicht eilig hatten, verabschiedeten wir uns hier von Christoph, der trotzdem den längeren, schöneren Weg wählte, da die Zeit bei zügigem Wandern noch ausreichte, um den Nachtzug zu erreichen.
Auch hier war der Plan entlang des verbliebenen Teilstücks bis zum Fuße des Ben Nevis einen Zeltplatz zu finden, was uns leider nicht gelang. Es gibt einen, direkt an einem Fluß, der sogar auf komoot eingezeichnet ist, wenn man denn weit genug reinzoomt. Allerdings ist die Ecke auch ein wenig dunkel und so gingen wir weiter und hofften auf etwas Luftigeres. Leider kam nichts. Wir genossen trotzdem die Blicke auf den sonnenbestrahlten Ben Nevis und gingen auf den Glen Nevis Zeltplatz, wo uns witzige Menschen und ein wenig Ale bestes Zivilisationskino bescherten.
Tag 8
Für die letzten zwei Nächte hatten wir uns im Ben Nevis Inn – nur einmal über den Fluss – einquartiert. Die Zimmer sind sehr einfach, aber das abendliche Essen und vor allem die absolut perfekte Lage in Bezug auf eine Ben Nevis-Besteigung fühlten sich auch im Nachhinein als die richtige Wahl an.
Eigentlich wollten wir unseren Beinen ein wenig Erholung gönnen, waren Tag 6 und 7 doch definitiv sehr anstrengend. Im Endeffekt war fast jede Etappe anstrengend, weil die Natur uns immer weiter und höher zog als wir geplant hatten… aber das ist ja auch richtig so.
Die Wettervorhersage war aber so, dass die Wahrscheinlichkeit, nicht in den Wolken zu hängen – Ben Nevis üblicher Zustand -, heute viel höher war als am nächsten Tag. Olli war aber zu kaputt und beschloss, bei der Herberge zu bleiben, uns einzuchecken und in Ruhe ein Buch zu lesen, so machten Olaf und ich uns an den langen Anstieg.
Man kann den Ben Nevis wirklich einfach hoch latschen, aber man braucht – wenn man sich Zeit lässt – schon so fünf bis sieben Stunden. Für den Weg nach oben. Es ist alles andere als leicht an einem Tag über 1000m auf- und dann auch wieder abzusteigen, zumal auch die reine Länge „on the ground“ nicht zu verachten ist. Wir gingen es in aller Ruhe an, wunderten uns über Menschen in Flip Flops und anderen abenteuerlichen Outfits, und gelangten sonnenbeschienen bis kurz unter das Gipfelplateau. Tatsächlich waren die letzten Höhen- und Weitenmeter dann wolkenverhangen, so dass die Gipfelbilder nicht viel hergeben, aber die Blicke, auch auf dem Abstieg, und das Gefühl, den Ben Nevis mit müden Beinen bezwungen zu haben, beflügelten uns und nach dem Abstieg und einem freudigen Wiedersehen mit unserem Kumpanen speisten wir so vortrefflich im Ben Nevis in, dass wir direkt für den folgenden Abend wieder einen Tisch reservierten.
Tag 9
Diesen ursprünglich für den Gipfelsturm veranschlagten Tag verbrachten wir in Fort William. Man kann es kurz machen: das muss man nicht tun. Absolut nicht. Es gibt ein kleines lokales Museum, welches ein wenig über die Geschichte des Ortes und der Entstehung des Ben Nevis erzählt, eine solide heruntergekommene Einkaufsstrasse und einige Gebäude, die schick anzuschauen sind. Vielleicht sind eine Fahrt im Hogwarts-Express oder eine Bootstour eine bessere Wahl als den Ort zu erkunden.
Der Tag sollte aber trotzdem mit einem nahezu perfekten Tourabschluss enden: am Abend im Ben Nevis Inn versammelte sich die musikalische Lokalprominenz zur wöchentlichen Jam-Session. So saßen wir also von Essen und Ale beseelt und genossen besten schottischen Folk, mit Inbrunst und Liebe vorgetragen.
Perfekt wäre es gewesen, wenn Christoph noch vor Ort gewesen wäre, aber auch so war es ein wunderbarer Abend und die Krönung der zu Fuß erlebten Highlands.
Tag 10
Heute hieß es Abschied nehmen. Wir packten unsere Sachen, saßen noch gemütlich am Fluß und gingen dann zu Fuß zur Ben Nevis Destillerie, ich hatte hier eine Führung nebst Tasting gebucht. Die Destillerie gehört nicht zu den Highlight-Destillerien in Schottland, aber unsere Führerin erzählte viel Interessantes und die großen Brennblasen sind schon beeindruckend.
Wir machten uns wieder auf zurück nach Fort William, wo wir am Bahnhof Olafs Familie begrüßten, die zusammen mit Olaf noch weiter in Schottland Urlaub machen wollten. Nach einer Abschlusspizza in Fort William stiegen Olli und ich in den Caledonian Sleeper und verbrachten eine gute Zeit auf der Heimreise.
Eine Tour, die immer in meinem Herz bleiben wird, hatte ein schönes Ende gefunden.