Whiteout Tour – Sylarna Umrundung

Fazit.
Ich finde die Wanderregion in Jämtland vom Vålådalen (absoluter Geheimtipp, auch die Hütten) im Osten, rund um Sylarna im Westen bis runter nach Funäsdalen nicht nur wunderschön und für Sommer, Herbst und Winter bestens geeignet, sondern insbesondere auch für Anfänger großartig. Es gibt immer wieder Hütten mit schönen Saunen, wo man zur Not mal unterkriechen kann und je nach Fitnessgrad kann man passende Routen aussuchen.
Inzwischen ist auf dem Dreieck Storulvan – Sylarna – Blåhammaren aber wirklich viel los, so dass man ein wenig sehen muss, wie man den „Massen“ entgeht. Trotzdem absolute Empfehlung. Auch mit Gipfelsturm Sylarna oder Helags.


Dank an Thomas Kötter für diesen lustigen Trailer.

Fünf Tage hätten wir Sylarna im Blick haben sollen, fünf Tage haben wir nie weiter als 200m gucken können. Ich habe viele verrückte Dinge auf vielen Touren erlebt, auch nach dieser Skiwanderung, aber es war hier doch sehr geballt. Sinnbildlich für alles war ein Bild in Nedalshytta, auf welchem man sah, wie der Blick hätte aussehen sollen – wir wußten nicht, ob wir lachen oder weinen sollten…
Die Länge der Tagesbeschreibungen zeigt, dass hier etwas mehr „los“ war.

Tag 1
Vålådalen – Stensdalen
Wir kamen, wie schon so oft, morgens mit dem Zug in Undersåker an, nachdem wir am Abend zuvor nach Stockholm geflogen waren. Dort wartete ein Taxi, welches uns zur STF Fjällstation Vålådalen brachte, unserem Ausgangsort.
Wir hatten das Wetter die Wochen vorher schon beobachtet, da es in diesem Jahr sehr warm war und wr etwas Sorge hatten, es könnte nicht genügend Schnee mehr liegen. Diese Sorge erfüllte sich so nicht direkt, aber schon nach 200m brach ich in einen kleinen Bach ein und holte mir einen nassen rechten Schuh. Da das Wetter ansonsten gut, die Etappe nicht lang und wir gut gelaunt waren, setzen wir unseren Weg trotzdem fort. Im Tal selbst war es extrem nass. Wir mussten teilweise Gewässer umfahren, höher gelegene Abschnitte durch dichte Wälder nehmen und kamen an einen Stelle, wo kurz zuvor ein anderer Wanderer eingebrochen war. Er hatte allerdings schon trockene Klamotten an, kehrte aber trotzdem um. In dieser Form habe ich es noch nie wieder erlebt, selbst kleine Wasserläufe waren nicht mehr sicher zugefroren.
Sobald wir aber den Anstieg nach Stensdalen begonnen hatten, war alles gut. Ich hatte zwar 2 kleine Blasen, aber die Hütte wartete mit einer kleinen Sauna und einem netten Wart auf uns, so dass die Strapazen des Tages schnell vergessen waren.

Tag 2
Stensdalen – Gåsen
Dieser Tag sollte uns den ersten großen Ausblick auf Sylarna bescheren. Der Aufstieg nach Gåsen war schweißtreibend, der Hüttenwart hatte uns auch gewarnt, dass es sehr windig werden sollte, was definitiv eintrat. Ich merkte den anstrengenden Vortag und blieb beim Aufstieg Richtung Schützhütte doch einige Minuten hinter meinem Begleiter zurück.
War die Sicht zu Beginn des Tages noch ganz passabel, so änderte es sich mit jedem Höhenmeter Richtung Gåsen: als wir ankamen konnte man mit Ach und Krach die Schemen der Hütten wahrnehmen, hier konnte ich das erste Mal nachvollziehen, warum manchmal Wanderer wenige Meter neben Hütten verenden… Folgende Szene hierzu: als wir die Hütte des Hüttenwartes gefunden hatten, zeigte er in eine Richtung, in welcher nichts zu sehen war, dass dort unsere Hütte liege, wir würden nach einigen Metern einen Fahnenmast sehen und dann leicht links davon… und die Anlage ist nicht groß.
Dafür war dann nichts los und wir hatten einen sehr gemütlichen Abend auf einer einsamen Hütte, auch wenn selbst die 50m zum Plumpsklo ein Abenteuer waren.

Tag 3
Gåsen – Sylarna
Wind, keine Sicht, über 0 Grad. Der Tag versprach nicht allzu viel Spaß und, das sage ich wirklich selten, es war auch keine Freude, wirklich nicht.
Der Weg Richtung Sylarna beginnt mit einem schönen Abstieg, eigentlich, wenn man etwas sehen kann. So mussten wir sehr vorsichtig und langsam fahren, immerhin war es nicht anstrengend. Unten angekommen kann man es sich in einer Schutzhütte für ein Päuschen bequem machen. Danach beginnt, insbesondere bei hartem Westwind, einige Jahre später habe ich es nochmal erlebt, ein zäher und langer Weg über eine Anhöhe. Ich denke, wenn die Aussicht stimmt, kann man das alles gut wegstecken, aber da auch noch Regen einsetzte, war es zermürbend.
Wir mussten zwei größere Flüsse überqueren, ein paar Jahre später versuchte ich, nachzuvollziehen, wo diese Stellen gewesen sein könnten, aber da alles zugefroren war, habe ich es nicht mehr erkennen können. Bei dieser Tour war Fluss eins jedoch komplett offen und reißend, wir mussten ein gutes Stück nordwärts zur Brücke ausweichen (es lebe das Notfall-GPS) und dort dann einen durchaus steilen Hang zu dieser hinunter – ich habe schon Lustigeres gemacht.
Die zweite Stelle ist eine relativ breite und eigentlich flache Stelle des Enan, hier sackten wir leicht weg und mein Begleiter mahnte mich zur Eile…
Vor dem finalen Aufstieg nach Sylarna gibt es noch eine Schutzhütte, die wir naß und müde nutzen, um Kräfte zu sammeln. Die Sauna, der Trockenraum, das Bier, es war sehr nötig. Zumal wir neben zwei älteren Damen saßen, die gerade gerettet worden waren, von einem völlig vereisten sehr steilem Teilstück des Weges, den wir am nächsten Tag gehen wollten – sie kamen nicht mehr vor und zurück. Eine von ihnen hatte für kurze Zeit Handyempfang und konnte Notfallkräfte alarmieren…

Tag 4
Sylarna – Nedalshytta
Es hatte über Nacht etwas geschneit und es war wieder kälter geworden, der Wind war aber immer noch stark und kam von vorn. Trotzdem beschlossen wir, es zu wagen und im Notfall wieder umzukehren, dann müssten wir nur mit Rückenwind den Berg wieder hinunter fahren.
Es war beschwerlich und als wir die Stelle erreichten, wo die Damen am Tag zuvor vermutlich gerettet werden mussten, konnten wir sofort versteh, warum. Es war tatsächlich fast unmöglich mit den Skiern voranzukommen, schon der Aufstieg über den vereisten Schnee war mühsam gewesen. Wir schnallten die Skier ab und glitten von Schneefeld zu Schneefeld. Das ging ganz gut, bis wir anschrägen mussten, um zur Schutzhütte zu gelangen. Inzwischen war der vereiste Schnee aber soweit angetaut, dass man seine Stiefel in den Boden rammen konnte und so kämpften wir uns die letzten 300m zur Hütte.
Danach war der Weg eingentlich relativ gemütlich, leider begann der Schnee die letzten 2km vor der Hütte an meinen Skiern zu kleben und ich hatte mein Wachs gut irgendwo verstaut.
In Nedalshytta wartete ein sehr unfreundliches norwegisches Hüttenwartspärchen auf uns – wir waren das erste Mal an einer norwegischen Hütte und wußten nicht, dass man bei bewirteter Hütte das Essen dort kaufen MUSS. Zudem gilt der Jugenherbergsausweis dort nicht, wie es in Schweden üblich ist. Auf unsere Nachfrage, wo wir denn unser Essen zubereiten könnten hieß es nur „you can cook your food outside“…
Nach einem anstregenden Tag, war es uns aber sogar ganz recht, bekocht zu werden und es gab sogar fließendes und warmes Wasser. Hier hing dann auch ein Bild, was wir hätten sehen können an diesem Tag.
Am nächsten Tag sollten wir dann einen Brief mit nach Storerikvollen nehmen, was wir natürlich taten, es waren sämtliche Kommunikationsleitung aufgrund der 50cm Neuschnee zusammengebrochen…

Tag 5
Nedalshytta – Storerikvollen
Über Nacht hatte es geschneit und es schneite fast den gesamten Tag weiter. Es sollte die Königsetappe werden, der See im Westen, die Flanke von Sylarna im Osten, … gesehen haben wir davon nichts. Wir waren die einzigen, die auf diesem Weg unterwegs waren, sackten trotz Backcountryski manchmal bis zu den Knien ein und zwischendurch fragte ich mich, warum ich das überhaupt mache. Diese Etappe muss bei gutem Wetter unglaublich sein, viele Höhenmeter, großartige Aussichten, wahrscheinlich kann man bei „normalen“ Bedingungen sogar gut über den See laufen, aber nach all den aufgetauten Stellen und der nicht vorhandenen Sicht hielten wir uns eng an den Weg.
Wir machten genau eine Pause, obwohl zumindest ich an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit war: wir kauerten auf unseren Skiern unter einem Schild und aßen im Schneetreiben ein Snickers.
Die letzten Meter nach Storerikvollen waren extrem zehrend, da die Schneeverwehungen hier noch größer waren und es uns einige Zeit kostete, überhaupt den Eingang zur Hütte zu finden, eigentlich waren nur Schneehügel zu erkennen.
Im Inneren warteten aber zwei sehr nette Hüttenwärterinnen, die lecker zu Abend kochten und uns dann auch brühwarm vom Inhalt des Briefes, den wir unter Einsatz unseres Lebens hierher gebracht hatten, berichteten: man warnte ausdrücklich vor uns, weil wir versuchen würden, den Preis mit einem nicht gültigen Ausweis zu drücken… Fassungslos schrieben wir hier „tydelig“ ins Tourbuch und teilten den Whisky mit den Socken häkelnden Damen.

Tag 6
Storeriksvollen – Blåhammaren
Der nächste Tag begann etwas freundlicher: zwar war Sylarna immer noch nicht zu sehen, dafür konnte man doch den einen oder anderen Meter weiter gucken. Der erste Aufstieg ist zwar ein wenig knackig, aber zu bewerkstelligen, leider brach ich vorher ein weiteres Mal ein, wieder nicht tief und gefährlich, aber doch so, dass ich zwei nasse Füße bis nach Blåhammaren hatte.
Die Stimmung hellte sich aber mit jedem Meter Sicht auf, kurz vor der Grenze würde ich sogar behaupten, konnten wir einige hundert Meter weit sehen. Dann stellte sich allerdings wieder Schneegestöber ein. Da das Wetter sonst aber passte, hatten wir einen vergnüglichen Tag mit einem schönen Schlußanstieg nach Blåhammaren hinauf, wo wir zwei schöne Betten ergattern konnten, fein saunierten und den Abend mit lustigen Schweden bei Wein und Essen – man könnte sagen – fast ein wenig feierten.

Tag 7
Blåhammaren – Storulvan
Wir entschieden uns für den Ausstieg über Storulvan, da die Sicht am Morgen wieder gegen Null ging und der Abstieg nach Storlien lang und nicht ganz einfach ist. Der Nebel löste sich jedoch relativ schnell auf und wir hatten unseren ersten „perfekten“ Wandertag mit Sonne und Minusgraden bei leicht vereister Piste und dazu nur Abstieg.
Wir glitten minutenlang einfach dahin und genossen die weite Sicht (allerdings war Sylarana von da dann tatsächlich nicht mehr zu sehen) und machten ausgedehnte Pausen, da die Strecke in diese Richtung schnell zu bewerkstelligen ist.
All die Skiwanderer, die wegen des Wetters in Storulvan ausgeharrt hatten, kamen uns jetzt entgegen, es waren richtige Massen, die sich nun in die Berge wälzten, wir konnten nur staunen.

Ein Jahr später sind wir dann nochmal von Trondheim auf Sylarna zugelaufen. Mit klarer Sicht und Sonnenschein. Es war wunderbar.
Diese Tour war auch wunderbar, in anderer Art und Weise, sie hat auf ganz intensive Weise gezeigt, dass man aller äußeren Einflüsse zum Trotz auch eine gute Zeit haben kann.

Die Streckenführung bei komoot stimmt zwischen Storerikvollen und Blåhammaren nicht. Nur zur Info.

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