Eigentlich war der Padjelantaleden für Ende September, was nicht sehr einfach ist, da dort dann alles schon geschlossen hat, schon geplant, aber mein Freund, mit dem ich die Tour machen wollte, holte dann die Idee „GR20 auf Korsika“ aus der Schublade, die er vor Jahren schon einmal verwerfen musste, weil noch zu viel Schnee lag.
Dieses Mal also in den Süden und nicht in den Norden und dazu ein absolut alpiner Trek, mit einem atembe- und atemraubenden Höhenprofil, etwas, was ich so noch nicht gemacht hatte. Lange habe ich mich nicht mehr so intensiv auf einen Trek vorbereitet: Workouts, Laufeinheiten und 5 kg abnehmen standen auf dem Programm und es war gut, dass ich es durchgezogen habe, fast 13.000 Höhenmeter mussten in acht Tagen bewältigt werden.
Vorweg: das Skurrilste am GR20 ist das Aufeinandertreffen der absolut durchtrainierten Langstreckenwanderer, die tagelang – 15 Tage, wenn man alles läuft – unterwegs sind, im „besten“ Falle mit Zelt und Essen auf dem Rücken, und den Tagestouristen, die ihre zwei Brote nebst Müsliriegel und etwas Wasser u.a. den höchsten Berg Korsikas hochschleppen, um dann abends mit dem Auto wieder ins Hotel zu fahren. Nie habe ich bis jetzt so etwas in dieser krassen Form erlebt. Sich davon nicht aus dem „Ruhezustand“ des Wanderns bringen zu lassen, ist eine weitere Qualifikation, die ich hier trainieren durfte 🙂
Tag 1 – der Einstieg
Vizzavona – Refuge L’Onda
Wir starteten bei bestem Wetter um die Mittagszeit in Vizzavona, nachdem wir mit dem Zug aus Bastia angekommen waren und Gas erstanden hatten. Zunächst ging es gemütlich im Wald leicht aufwärts, die Stimmung war allerbest. Nach 3km zog die Steigung etwas an und spätestens nach 5km, inzwischen in der prallen Sonne gehend, zwang uns der Berg eine Steigung zwischen 20 und 35% auf. Nach ca. 1200m Anstieg erreichten wir den höchsten Punkt für diesen Tag, der, wie an allen folgenden Tagen auch, einen atemberaubenden Ausblick bot. Schweißnass und mit zum Ende hin wackelnden Fußgelenken wurden die 700 Höhenmeter Abstieg zum Refuge L’Onda bewältigt, hier war schon etwas Trittfestigkeit gefragt.
Leider muss man sagen, dass dieses Refuge nicht sehr gepflegt ist und uns auch keine allzu große Freundlichkeit entgegenschlug. Aber kurz vor Sonnenuntergang war uns das egal, die kalte Dusche und das warme Essen taten so gut, wie an jedem Wanderabend und die Eindrücke nach diesem extremen Einstieg begleiteten uns in die Schlafsäcke.
Tag 2
Refuge L’Onda – Refuge de Petra Piana
Für diese Etappe gibt es zwei Varianten: die offizielle durchs Tal und die Variante über den Pinzi Corbini. Das Wetter war gut, oben rum waren es weniger Längen- und auch Höhenmeter und bei der Talvariante hätten wir am Ende einen harten Aufstieg gehabt… also: oben rum.
In der ersten Tageshälfte wurden wir von dem Lärm einiger Kampfflugzeuge begleitet, die offensichtlich einen Übung abhielten, da sie immer dieselbe Bahn flogen.
Der Tag begann mit einem saftigen Anstieg, den wir aber in aller Ruhe in Angriff nahmen. Einmal oben angekommen wurden wir mit großartigen Ausblicken entlohnt, hier war der Weg aber definitiv anspruchsvoller, ich entsinne mich an eine Stelle, an der man sich mit beiden Händen festhalten musste, den Fuß auf einen kleinen Felsvorsprung zu setzen hatte, um sich dann über einen steil abfallenden Kamin zu schwingen – mit über 20kg auf dem Rücken gar nicht so leicht. Ich musste mich an vielen Stellen sehr konzentrieren, mein alpin erfahrener Kollege meisterte Vieles sehr viel schneller. Wahrscheinlich wäre mir die Etappe zum Ende der Tour hin auch leichter gefallen. Nichts desto trotz eine der eindrucksvollsten Etappen für mich.
In dem schönen Refuge angekommen waberten leider ein paar Wolken in den Berg, so dass wir unseren Liter dort erstandenen Rotwein im Nebel genießen mussten.
Tag 3
Refuge de Petra Piana – Refuge de Manganu
Eine absolut spektakuläre Etappe mit schwierigen Wanderabschnitten, zwei längeren knackigen Steigungen, einem soliden Abstieg nach Manganu, aber auch mit traumhaften Aussichten auf Gebirgsseen im mittleren Abschnitt und wilden Felsformationen. Ich weiß nicht, wie häufig ich an diesem Tag „krass“ gedacht habe, sowohl den Weg als auch die Aussichten betreffend, ich denke Tendenz Richtung sehr oft.
War der erste Aufstieg größtenteils noch in den Wolken, so wurde kurz vor dem Erreichen des ersten Passes an diesem Tag der Blick freigegeben und wir konnten einen weiteren Tag bei bestem Wetter genießen.
Das Refuge de Manganu liegt wunderbar, ist gut in Schuß, so dass wir einen gemütlichen Abend nach einem eindrucksvollen Tag verlebten. Mit Whisky aus Island und einem Zigarillo.
Tag 4
Refuge de Manganu – Bergerie de Radule
Wieder allerbestes Wetter und gleich nach 2km ein Stopp bei der Bergerie de Vaccaghia, um Käse und Brot für das Mittagsmahl einzukaufen. Diese Etappe mutet sehr gemütlich an: wenige Höhenmeter, weite Blicke, insbesondere der Lac de Nino, prägen den Tag. Die leichten Auf- und Abstiege fühlen sich fast nach Lockerungsübungen an. Leider ist die Region um den Lac de Nino und dem Castel de Vergio sehr touristisch, wir haben Ostasiaten, Europäer vieler Länder, eine Familie mit Esel, ganz alte Personen, Kinder, … getroffen. Eigentlich schade, da die Landschaft traumhaft ist und man bis zum Lac de Nino durch die Ebenen endlich mal „ins Rollen“ kommt.
Es war sehr warm und das Ende durch den staubigen Wald zog sich schon ein wenig bis zum Castel de Vergio, einem Ort, an dem wir defintiv nicht bleiben wollten. Die 3km bis zur geschlossen Bergerie de Radule, wo wir unser Zelt aufschlugen und in einer herrlichen Badegumpe baden konnten, nebst Terrasse mit Ausblick auf den Sonnenuntergang, waren gut investiert.
Tag 5
Bergerie de Radule – Tighjettu
Ein klarer Morgen kündigte ein weiteren sonnigen Tag an. Gleich zu Beginn erwartete uns ein langgezogener 600m Aufstieg, der aber mit einem wunderbaren Ausblick belohnt wurde und direkt wieder in einen 600m Abstieg überging 🙂 Wir hatten uns entschieden das Refuge di Mori links am Hang liegen zu lassen und sind durch das Tal marschiert.
Ein wenig Wald, ein paar ausgetrocknete Flüsse, ein schönes Tal, all das endete erst einmal in der Bergerie de Ballone, wo man zwar schon packte, uns aber noch ein Bier und ein schmackhaftes Omlett servierte. Danach fiel der Aufstieg nach Tighjettu nicht mehr so schwer.
Die Hütte liegt toll, die vielen Zeltplätze um diese herum lassen aber erahnen, was dort in der Hochsaison los sein muss… Und leider ist auch hier Vieles nicht mehr sehr gut in Schuß, eher sogar etwas schmuddelig.
Tag 6 – die Königsetappe
Tighjettu – Haut-Asco
Insgesamt ca. 1000m hoch und 1200m wieder runter lagen an diesem Morgen vor uns. Wir entschieden uns, sehr früh zu starten, damit wir die Wand (und ja, es war so steil) noch schön im Schatten liegend bezwingen konnten. Wie sich herausstellte, war das clever, die Sonne schien wieder in all ihrer Pracht den ganzen Tag über.
Der Aufstieg zur Bocca Crucetta war tatsächlich eine der anstrengensten Dinge, die ich bisher in meinem Leben getan habe. Die 20kg auf meinem Rücken, die bis zu 50% Steigung, die Kletterstellen hier und da, all das haben wir gemeinsam gefühlt sehr langsam und gleichmäßig bewältigt. Im Endeffekt waren wir dann doch schneller oben, als uns Beschreibungen in Büchern haben glauben lassen, aber den definitiv machbaren Schlenker hoch auf den Monte Cinto haben wir uns geschenkt, zu groß war dann noch der Respekt vor dem Abstieg.
Die Aussicht aufs Meer, über Korsika, auf die schnaufenden Touristen, die sich von Haut-Asco hochschleppten – was für eine Mittagspause! Ich werde diesen Tag nie vergessen.
Der Abstieg war gleichsam spektakulär, das Tal hat sich mir eingebrannt, ich sah mich häufig um, ungläubig und staunend: die zerklüftete Landschaft, die scharfen Felsen nebst steiler Felswände oben, die herbstlichen Farben unten, unbeschreiblich, unwiderruflich gespeichert im Herzen.
Leider ist Haut-Asco echt Mist. Man kann es nicht anders sagen. Und wer sich alles zutraut, die über 1200 Höhenmeter von da aus zum Pointe des Eboulis zu überwinden. Zum Kopfschütteln.
Tag 7
Haut-Asco – Carozzu
Sonne, 500m knackiger Anstieg, tolle Blicke zurück auf den Monte Cinto – der Tag begann wieder einmal anstregend und man merkte die etwas müden Beine vom Vortag.
Das Tal, in welchen der Abstieg nach der Bocca die Stagnu führte, war definitiv schön, der Lac de la Muvrella zwar eher ein Tümpel, aber dennoch malerisch eingebettet. Nach den vielen Eindrücken der Tage zuvor, wirkte diese Etappe trotz ihrer Schönheit schon fast „normal“ und es gibt wieder ein touristisches Highlight: kurz vor dem kleinen Anstieg hoch zur Hütte findet sich eine Hängebrücke über einen größeren Fluß, der ein beliebtes Badeziel bei Jung und Alt zu sein scheint.
Die Hütte ist toll in Schuß und liegt sehr geschützt. Da der 1.10. schon rum war, lag sie zwar offen aber unbewirtet da, die Duschen waren verschlossen, aber mein 3l-Wassersack hat da wunderbare Dienste geleistet.
Tag 8
Carozzu – Refuge de l’Ortu di u Piobbu
Da dieser Tag wieder im Nebel begann, überlegten wir zunächst, die Variante durchs Tal zu wählen, entschieden uns dann aber doch für die Gratwanderung, im Endeffekt eine gute Entscheidung, weil wir zumindest den mittleren, schwierigen Teil, über den Wolken verbrachten, uns diese erst zum Ende hin wieder einhüllten und erst am nächsten Morgen wieder verließen.
Der Aufstiegt beginnt direkt hinter der Hütte erst einmal relativ human, kommt dann aber gut in Fahrt und gehört zwischendurch mit fast 50% zu den steilsten der Tour. Die Blicke und der Abschnitt zwischen und um die Bocca di L’Innominata und Bocca die Piciaghja sind aber unvergleichlich wild. Oben trafen wir dann noch eine pausierende Australierin, die noch den gesamten Weg Richtung Süden absolvieren wollte. Ich zollte ihr Respekt und wir machten uns an den nebligen Abstieg.
Das Refuge selbst machte einen ordentlichen Eindruck, allerdings war die Sicht auch auf unter 50m beschränkt und es war so feucht, dass wir tatsächlich einmal in der Hütte kochten.
Tag 9 – der Ausstieg
Refuge de l’Ortu di u Piobbu – Calenzana
Die Wolken hatten sich verzogen und die schöne Lage der Hütte offenbarte sich. Uns stand eine entspannte, schöne Etappe bevor, ein Abstieg von über 1200 Höhenmetern, aber in großen Teilen sehr knie- und wanderfreundlich.
Die Vegetation wurde immer steppiger (gibt es das Wort?) und staubiger, ein paar schöne Blicke öffneten sich, auch wenn die Zivilisation in Form von Calvi wieder ins Blickfeld rückte und einige schnaufende Wanderer uns entgegen kamen – mit großen Rucksäcken, immerhin hatten jetzt alle Hütten geschlossen -.
Von Calenzana, wo wir ein Abschlussbier tranken, wurden wir von der Frau eines von zwei netten Isrealis, die wir auf der Tour kennengelernt hatten, mit nach Clavi mitgenommen, wo wir Proviant für die Zugrückfahrt nach Bastia einkauften.
Stinkend, aber sehr erfüllt und glücklich, zuckelten wir mit der Bahn zurück nach Bastia, um dort noch einen schönen Abend und eine gemütliche Nacht zu verbringen, bevor uns der Flieger am nächsten Mittag wieder nach Hause brachte.
Dank an Thomas Kötter für die schönen Bilder.